Autor: A.L. Lindau

Auf einem Betrieb mit einem durchschnittlichen Viehbestand von 40 Charolais-Kühen und einer Abkalbesaison hauptsächlich im zeitigen Frühjahr wurden die Kälber ohne besondere Aufmerksamkeit geboren. Die Kühe werden in zwei Gruppen von ca. 20 Kühen lose in einem Strohstall gehalten. Die Fütterung besteht hauptsächlich aus Heu mit zusätzlicher Grassilage. Die Kälber werden gesund und ohne Hilfe geboren (bis auf sehr seltene Einzelfälle).


Lebensschwaches Kalb; Foto: BRS

Nach 5-7 Tagen bemerkte der Landwirt jedoch einen Rückgang der Vitalität der Kälber. Sie legten sich viel hin, wirkten müde und hatten eingefallene Flanken. Ein Zeichen dafür, dass sie nicht genug Milch trinken. Wenn sie zum Euter geführt wurden, versuchten die Kälber nur zögerlich zu trinken und kauten nur schwach auf der Zitze, ohne wirklich zu saugen. Ungefähr die Hälfte der Kälber entwickelte eine leichte Atemwegserkrankung mit Husten und leichtem Nasenausfluss. Einzelne Fälle von leichtem Durchfall wurden ebenfalls gemeldet.

Eine klinische Untersuchung durch den Tierarzt ergab den Verdacht auf einen Mangel an Vitamin E und Selen. Die erhobenen Befunde waren starke Indikatoren, da die Symptome sehr typisch sind. In Kombination mit dem Wissen, dass Deutschland in Bezug auf Selen ein Mangelgebiet ist, war die Wahrscheinlichkeit eines klinisch manifesten Mangels sehr hoch. Selen und Vitamin E sind für die Funktion einer Reihe von Enzymen im Immunsystem (z.B. antioxidative Enzyme) und für die korrekte Funktion der Muskulatur unbedingt notwendig. Deshalb wurde entschieden, dass jedes Kalb eine Injektion von 5 ml Vitamine E/Selen am Tag der Geburt erhält. Da ein Mangel an Ferrum bei neugeborenen Kälbern ebenfalls sehr häufig vorkommt und oft mit einem Mangel an Vitalität verbunden ist, wurde eine gleichzeitige Injektion von 9 ml Ferrum (100 mg/ml) eingeführt. Wenn ein Kalb eines der beschriebenen Symptome innerhalb der ersten drei Wochen nach der Geburt zeigte, wurde die Injektion wiederholt. Die Prüfung des Saugreflexes wurde als eindeutiger Indikator für die Entscheidung, ob eine zweite Injektion notwendig war, implementiert. Durch dieses Vorgehen konnte der Landwirt die Zahl der schwachen Kälber und Kälber mit Saugschwäche auf wenige Einzelfälle reduzieren.

Die mit Vitamin E/Selen und Ferrum behandelten Kälber zeigten eine deutlich höhere Vitalität als die Kälber zu Beginn der Abkalbesaison, als das Verfahren noch nicht umgesetzt worden war. Dies führte zu einer höheren Milchaufnahme und damit zu einer besseren Gewichtszunahme in den ersten Wochen. Die Kälber sind gesünder und die Häufigkeit der Tierarztbesuche für schwache Kälber sank auf Einzelfälle.

Das Verfahren wurde als mündliche Vereinbarung zwischen dem Landwirt und dem Tierarzt umgesetzt, aber dennoch als strikte Regel, die bei jedem neugeborenen Kalb durchgeführt werden muss. Die ersten fünf Kälber wurden unter Aufsicht des Tierarztes gespritzt. Da die Behandlung einfach durchzuführen ist, konnte der Landwirt die Injektionen dann selbst durchführen. Während der Abkalbezeit entwickelte der Landwirt ein gutes Urteilsvermögen für die Vitalität der Kälber, was für die Entscheidung über eine zweite Injektion notwendig war. Die Prüfung des Saugreflexes erwies sich als ein sehr guter Indikator für diese Entscheidung.

Einfache Indikatoren für die Entscheidungsfindung und konsequentes Festhalten am Plan waren die Säulen des Erfolgs!

  • Auswirkungen:
    1. Sozioökonomische Belastbarkeit: Erhöhte tägliche Gewichtszunahme in den ersten Wochen nach der Geburt
    2. Tiergesundheit und Tierschutz: Geringere Atemwegs- und Darmerkrankungen und damit geringere Tierarztkosten, höhere Vitalität der Kälber, erhöhtes Tierwohl
    3. Produktionseffizienz und Fleischqualität: Erhöhte tägliche Gewichtszunahme, verringerter Arbeitsaufwand pro Tier durch weniger kranke Kälber

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